Vor über einem Monat hat mich meine gute Bekannte Eva Gutensohn zu einer für Mittwoch, den 22.03 geplanten Talkrunde in Freiburg eingeladen. Sie wollte der Veranstaltung den Titel meines gleichlautenden Artikels geben, der vor einem Jahr in der Ausgabe Nr. 73 der Zeitschrift Bahamas erschienen ist: Alles Rassisten außer Mutti. Sie bat mich auch um eine Kopie und ich nahm daher an, dass eine Reflexion auf die Rassismusdebatte um den Freiburger Club White Rabbit einen wesentlichen Teil der Diskussion bilden sollte. Als Talk-Partner bemühte sich Eva Gutensohn um Leute aus dem antirassistischen Spektrum. Leider fanden sich bis vor drei Tagen keine Talk-Partner, wie sie mir mitteilte. Ich bat auch um ein genaueres Konzept für die Talkrunde, wurde aber immer wieder mit der Begründung vertröstet, dass das erst kurzfristig fertig werden würde. Vor zwei Tagen, am Montag, sagte dann doch plötzlich Kathi King zu, die ich nicht kenne, die jedoch für das White Rabbit ein Awareness-Konzept entwickelt haben soll, um den Club wieder sicherer zu machen. Ihre Erfahrungen und Einschätzungen hätten mich interessiert, zumal dort im Juli vergangenen Jahres erneut eine Vergewaltigung gerade noch verhindert werden konnte. Ich ging noch davon aus, dass sich noch spontan Anknüpfungspunkte für eine Debatte finden lassen würden.
Das Moderatorengespann Gutensohn & Schulz hatte schon länger ein Intro-Video bei Youtube zur Reihe “Talk im Teng” gepostet. Die Werbung war fertig, aber vom genaueren inhaltlichen Konzept der ersten Veranstaltung erfuhr ich nichts, bis gestern spät Abends. Urplötzlich hatte sich ein dritter Talkgast gefunden. In einer weitergeleiteten Mail schrieb Moritz Schulz: “Liebe Leute, Allah hat uns noch einen dritten Gast gesandt, der die Position (muslimischer) Jugendlicher einnehmen und gleichzeitig den ihnen gegenüber vorgebrachten Alltagsrassimus beschreiben kann!”
Danach beschrieb er den neuen Gast, dessen Name ich nicht erwähnen möchte, da er auf der Seite der Veranstalter bis heute morgen nicht genannt wurde. Er ist muslimischer Sozialarbeiter und neben seiner Jugendarbeit auch noch für ein türkischsprachiges Kulturzentrum mit angeschlossener Moschee als Hilfsimam tätig. Den beigefügten Links konnte ich heute entnehmen, dass die Gemeinde politische Debatten in ihren Räumen so gut wie möglich vermeidet. In zwei anderen Referenzen warnte der Hilfsimam davor, Muslime pauschal des Terrorismus zu verdächtigen. Aus seiner Perspektive verständlich, aber was hat das mit der geplanten Diskussion um haltlosen Antirassismus zu tun? Und was hatte der klassische Rassismus, den jugendliche Türken in Freiburg und Umgebung manchmal noch erleben müssen, mit diesem postmodernen Antirassismus zu tun, der die Debatte über das White Rabbit bestimmt? Ziemlich wenig.
Bei einem emotional so stark aufgeladenen Thema wie der Flüchtlingsdebatte braucht man eine gewisse Ruhe, um die Diskussion nicht in die eingefahrene Polarisierung abgleiten zu lassen, die seit der Sylvesternacht von Köln vorherrscht. Überraschungsgäste zu präsentieren und die Themen durcheinander zu schmeißen, ist da schlicht unseriös. Und die kurzfristig arrangierte Konstellation der Gäste drohte genau die schwachsinnige Polarisierung zu reproduzieren, die ich analysiert habe. Der Kritik am postmodernen Antirassismus und am politischen Islam sollen stumpf Erfahrungsberichte über Alltagsrassismus gegenüberstehen, die von einem Muslim vorgetragen werden, der mit dem politischen Islam gar nichts zu schaffen haben will. Obwohl sich beides im Grunde gar nicht direkt widerspricht, hätte ich mich gewiss ständig gegen den spontanen Eindruck zur Wehr setzen müssen, dass meine Kritik am denunziatorischen Antirassismus alle Erfahrungen von Rassismus grundsätzlich in Frage stellt. Und der Überaschungsgast hätte sich womöglich bemüßigt gefühlt, in einer Talkrunde, die immer nach steilen Thesen schreit, meine Kritik am politischen Islam immer auf seine Gemeinde zu beziehen. Möglichst “spontane” Debatten, in denen man Talkrundenteilnehmer nach den immer gleichen peinlichen Mustern aufeinanderrasseln lässt, gibt es aber doch wirklich schon genug. Ohne mich.