Ein Artikel über den dahinsiechenden Science-Fiction und die leeren Versprechungen der Raumfahrt
»Noch 10 Sekunden – ! . . . Noch 6 Sekunden! 5, 4, 3, 2, 1, JETZT«. Die Spannung steigt, dann spuckt das gewaltige Raketentriebwerk Flammen und hebt das Raumschiff in den Himmel. Die Besatzung muß wegen der fast vierfachen Erdbeschleunigung um Atem ringen. Nach Ausbrennen der ersten Startstufe nähert sich die Geschwindigkeitsanzeige der Marke von 5.000 Metern pro Sekunde. Dann wird auch die mittlere Stufe abgeworfen und die letzte gezündet. Die Geschwindigkeit wächst weiter in Richtung 9.000 Meter pro Sekunde. Die Astronauten kämpfen wegen der anhaltend hohen Beschleunigung mit der Ohnmacht. Als das Raumschiff mit 11.200 Metern pro Sekunde die nötige Fluchtgeschwindigkeit erreicht, kann der erschöpfte Kommandant endlich den Schub auf ein erträgliches Maß reduzieren und die Startphase erfolgreich abschließen. Einen halben Tag später schreibt er ins Logbuch: »227.000 Kilometer von der Erde entfernt. Stellen die letzten Düsen ab, fahren nunmehr ohne Triebkraft. Schwerefreiheit an Bord«. Die Besatzung gewöhnt sich an die Schwerelosigkeit und spielt herum. Manche schauen wehmütig auf die Erde zurück, die als kleine, blau schimmernde Kugel weit hinter ihnen liegt. Nach wenigen Tagen biegt das Raumschiff dann auf die geplante Kreisbahn um den Mond herum ein und landet schließlich auf dessen Rückseite.
Diese Szenen stammen aus Fritz Langs Stummfilm Die Frau im Mond, der 1929 im Berliner Ufa-Palast seine Premiere hatte. Auf dem Mond findet ein Wissenschaftler riesige Goldvorkommen und die einzige Astronautin schließt dort am Ende des Filmes den Protagonisten in ihre Arme. Sie heißt »Friede Velten«, ein Anagramm auf Weltfrieden, und auch die Rakete trägt ihr zu Ehren den Namen »Friede«. Der frühe Science-Fiction reproduziert öde Klischees und der Filmkritiker Siegfried Kracauer kanzelte ihn lapidar ab:
Die Frau im Mond [spielt] in der Ära des Luftraumschiffs und in astronomischen Fernen. Auch die übrigen deutschen Filmerzeugnisse, die Gesellschaftsfilme vor allem, spielen auf dem Mond.Wann wird man endlich bei uns auf die Erde niedersteigen? Es gibt in Deutschland so gut wie in Amerika Millionen von Arbeitern und Angestellten, und ihr Dasein unter die Lupe zu nehmen, wäre wichtiger, als durch das Fernrohr in unwirklicheWeiten zu blicken. Freilich bedürfte es hierzu des Gewissens.
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